Es schmerzte jedes mal ein klein wenig
mehr, den Stein vor sich her zu treten, doch er konnte nicht
aufhören, denn es war die einzige Ablenkung die er im Augenblick
hatte. So schlich er durch die kleinsten Gassen seines Viertels, in
dem Versuch möglichst unbemerkt zu bleiben, seine Trauer, seine
Verzweiflung niemandem zu zeigen, wie eine getretene Katze, die sich
zurückzieht um ihre Wunden zu lecken, bevor sie sich wieder in die
Freiheit traut. Seine aufgequollenen Augen engten seine Sicht ein, so
wie sein überfülltes Herz seine Welt einengte. Es macht aus seinem
Universum eine kleine zerbrechliche Eisscholle, die jederzeit droht
unterzugehen und auf der er nun kauerte, frierend, in der Hoffnung
auf das rettende Land und doch dem eigentlichen Wunsch zu kentern.
'Tick Tick' rannte das kantige, kleine Erdfragment vor ihm davon, wie
er selbst vor sich davon rannte, floh vor seinen Gefühlen und den
bösen Gedanken, welche ihn immer wieder einholten und versuchten zum
kentern zu bringen. Sein Zeh schmerzte ihm vom Treten des Steins und
er liebte diesen Schmerz, der ihn für den Bruchteil einer Sekunde
sein völlig zerstörtes Innenleben vergessen ließ. Immer nur einige
Meter trat er den Stein vor sich her, um ihn nicht zu verlieren, er
war sein Freund, sein Ventil, sein Katalysator. Er trat sie gern, die
kleinen Steine, die kleinen Herzen der Mädchen und jedes mal war es
der Schmerz des wegtretens der ihm zeigte das er noch lebte, den er
brauchte um zu fühlen. Doch dieses eine mal hatte er wohl zu fest
zugetreten, das kleine Herz zu weit weg von sich geschoben um es
wieder zu erreichen und nun streunte er wieder allein durch die
einsamen Gassen seines Viertels. Der getretene Kater der er war, ohne
eine Miene zu verziehen ging er vorbei an puffigen Nachtclubs, Cafés
und Kneipen aus denen der Lärm der Zufriedenheit und die Gerüche
der Begierde strömten. Keine Emotion konnte ihn erschüttern, kein
Lachen, kein Weinen, kein verzweifeltes Schluchzen einer Liebenden im
trüben Schein der nächtlichen Stadtbeleuchtung. Er war eine
emotionale Festung, welche undurchlässig für jedes Gefühl zu sein
schien. Dieses über Jahre errichtete Bollwerk der Einsamkeit, in
welches er ab und an Gäste lud, kleine Herzen, welche versuchten die
Mauern zum Einsturz zu bringen, große Herzen, von denen er sich
wünschte sie würden es versuchen und dieses eine ultimative Herz,
welches er herrein ließ, als Gast, welches er einlud zu bleiben und
welches dann floh aus seiner Welt. Diese eine, die ihn jetzt
zurückließ in seiner kalten Festung, welche er nun noch massiver,
noch stabiler und noch kälter um sich baute. 'Tick Tick', so trat
er das kleine Stück Welt unenrmüdlich vor sich her, genau wie er es
mit ihrem perfekten Herzen einst tat, doch ihr Herz war nun nicht
mehr zu sehen, er hatte zu fest zugetreten, zu spät erkannte er den
Diamanten den er trat, zu blind war er den Glanz zu erkennen. Nun
glänzt sie für einen anderen Kater, einen ungetretenen, einen der
es versteht sanfter zu spielen und nicht auf einsamen Eisschollen
kauert. Und so zieht er weiter durch die dunklen Gassen seines
Viertels, hofft auf Tritte die ihm zeigen, das er noch lebt und tritt
selbst....'Tick Tick'....um nicht vergessen zu leben.
Patrick Berger
05.09.2012
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