Donnerstag, 6. September 2012

Von Katern und Steinchen

Es schmerzte jedes mal ein klein wenig mehr, den Stein vor sich her zu treten, doch er konnte nicht aufhören, denn es war die einzige Ablenkung die er im Augenblick hatte. So schlich er durch die kleinsten Gassen seines Viertels, in dem Versuch möglichst unbemerkt zu bleiben, seine Trauer, seine Verzweiflung niemandem zu zeigen, wie eine getretene Katze, die sich zurückzieht um ihre Wunden zu lecken, bevor sie sich wieder in die Freiheit traut. Seine aufgequollenen Augen engten seine Sicht ein, so wie sein überfülltes Herz seine Welt einengte. Es macht aus seinem Universum eine kleine zerbrechliche Eisscholle, die jederzeit droht unterzugehen und auf der er nun kauerte, frierend, in der Hoffnung auf das rettende Land und doch dem eigentlichen Wunsch zu kentern. 'Tick Tick' rannte das kantige, kleine Erdfragment vor ihm davon, wie er selbst vor sich davon rannte, floh vor seinen Gefühlen und den bösen Gedanken, welche ihn immer wieder einholten und versuchten zum kentern zu bringen. Sein Zeh schmerzte ihm vom Treten des Steins und er liebte diesen Schmerz, der ihn für den Bruchteil einer Sekunde sein völlig zerstörtes Innenleben vergessen ließ. Immer nur einige Meter trat er den Stein vor sich her, um ihn nicht zu verlieren, er war sein Freund, sein Ventil, sein Katalysator. Er trat sie gern, die kleinen Steine, die kleinen Herzen der Mädchen und jedes mal war es der Schmerz des wegtretens der ihm zeigte das er noch lebte, den er brauchte um zu fühlen. Doch dieses eine mal hatte er wohl zu fest zugetreten, das kleine Herz zu weit weg von sich geschoben um es wieder zu erreichen und nun streunte er wieder allein durch die einsamen Gassen seines Viertels. Der getretene Kater der er war, ohne eine Miene zu verziehen ging er vorbei an puffigen Nachtclubs, Cafés und Kneipen aus denen der Lärm der Zufriedenheit und die Gerüche der Begierde strömten. Keine Emotion konnte ihn erschüttern, kein Lachen, kein Weinen, kein verzweifeltes Schluchzen einer Liebenden im trüben Schein der nächtlichen Stadtbeleuchtung. Er war eine emotionale Festung, welche undurchlässig für jedes Gefühl zu sein schien. Dieses über Jahre errichtete Bollwerk der Einsamkeit, in welches er ab und an Gäste lud, kleine Herzen, welche versuchten die Mauern zum Einsturz zu bringen, große Herzen, von denen er sich wünschte sie würden es versuchen und dieses eine ultimative Herz, welches er herrein ließ, als Gast, welches er einlud zu bleiben und welches dann floh aus seiner Welt. Diese eine, die ihn jetzt zurückließ in seiner kalten Festung, welche er nun noch massiver, noch stabiler und noch kälter um sich baute. 'Tick Tick', so trat er das kleine Stück Welt unenrmüdlich vor sich her, genau wie er es mit ihrem perfekten Herzen einst tat, doch ihr Herz war nun nicht mehr zu sehen, er hatte zu fest zugetreten, zu spät erkannte er den Diamanten den er trat, zu blind war er den Glanz zu erkennen. Nun glänzt sie für einen anderen Kater, einen ungetretenen, einen der es versteht sanfter zu spielen und nicht auf einsamen Eisschollen kauert. Und so zieht er weiter durch die dunklen Gassen seines Viertels, hofft auf Tritte die ihm zeigen, das er noch lebt und tritt selbst....'Tick Tick'....um nicht vergessen zu leben.

Patrick Berger

05.09.2012

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