Montag, 5. November 2012

Die Straße

Auf einmal sah er alles ganz klar vor sich liegen. Die kleine Strasse, welche er schon tausend mal gegangen war, den alten Briefkasten, von dem er schon unzählige Male hoffte er könne ihm all die Geschichten erzählen die durch ihn erzählt wurden, die kleinen Gärten hinter seinem Haus, die zu dieser Zeit aussahen, wie Wartende an Flughäfen, welche schon zu lange auf die Heimkehr eines geliebten Menschen warten, für all die kleinen Gärten war dieser Geliebte wohl der Frühling. So wie es jeder Geliebte schafft das Leben in einem zu entfachen und man in eine wartende Ohnmacht fällt, solange diese Person nicht die gleiche Luft atmet!
Jeder Reiz funktionierte auf einmal besser und schärfer als jemals zuvor und all das nur wegen dieser Worte? Er stand da und hörte in sich hinein, hörte sein Herz schlagen und spürte wie jeder Schlag das Blut durch seinen Körper pumpte welches ihm Leben schenkte. Atmete bewusst wie nie zuvor und sog sich voll mit der kalten Herbstnacht die ihn umgab. Vier kleine Worte, die befreiten und wieder leben ließen, die Augen öffneten und Türen schlossen, welche er zu lange hat offen stehen lassen. Als würden ihm die Pflastersteine das Gehen abnehmen und ihn in ein neues Leben tragen. 
'Lass mich in Ruhe', vier kleine Worte, die den Krieg beendet hatten. 'Lass es gut sein', ja das würde er tun und alle Erinnerungen und Gefühle konservieren, nicht löschen, nur aufbewahren, ab und an einen kleinen Blick auf alte Zeiten riskieren und sie dann schnell wieder wegschließen, in der Naivität, dass der Duft der an diesen Momenten klebt, nie verfliegt!
Und so geht er sie weiter, seine Straße, Briefkästen und Gärten und gebrochene Herzen hinter sich lassend, auf der Suche nach einem neuen zu Hause. Und wie lange es dauern wird bis er eines findet und wie lange es dauern wird bis er sich angekommen fühlt, weiß nur die Straße.